· 

Die Tage danach und die Beerdigung

Die Tage danach versuchte ich irgendwie zu überleben. Ich versuchte die wichtigsten Dinge zu erledigen. Darunter fiel auch die Beerdigung zu organisieren. Das emotionalste war, die Lieder für die Trauerfeier auszusuchen und sich so viele traurige Lieder anhören zu müssen. Was passt zu ihm und vor allem - was passt zur Situation? 

Gleichzeitig musste der Text für die Traueranzeige ausgewählt werden. Aber was schreibt man bei einem Suizid? 

Ich steckte in so unbegreiflichen Gefühlen: Wut, Trauer, Schuld. Diese Gefühle in liebevolle Texte zu wandeln fiel einfach schwer. Die Frage, die in diesen Tagen über allem schwebte und mich beschäftigte war "Warum hast du uns das angetan?" Mit diesem Gedanken eine Traueranzeige zu erstellen, eine liebevolle Beerdigung zu organisieren und passende Lieder auszuwählen, hat mich sehr viel Kraft gekostet. 

 

Für die Beerdigung entschieden wir uns für einen Redner, der die Trauerfeier abhalten sollte. Denn wir waren uns nicht sicher, wie der örtliche Pfarrer auf einen Suizid reagieren wird. Und wir hatten auch nicht die Kraft uns dieser Situation auszusetzen.  Im Vorfeld mussten wir mit dem Redner sprechen. Ich musste ihm Informationen über meinen Vater geben, was hat ihn ausgemacht, was hat er gern gemacht. Meine Familie entschied sich, die Beerdigung nur im engsten Familienkreis abzuhalten. Ich akzeptierte dies. Die Umstände waren so schwer für alle, es gab so viel Schuldgefühle und so viele unterschwellige Schuldzuweisungen, dass meine Familie eine öffentliche Trauerfeier nur noch mehr Kraft gekostet hätte. Ich empfand die Beerdigung jedoch als nicht angemessen. Mein Vater kannte so viele Menschen, hatte so viele Bekannte und Freunde. Irgendwie wurde es seinem Leben nicht gerecht. Mir fehlte die gemeinsame Trauer mit anderen um ihn. Beim Essen nach der Beerdigung wurde nicht einmal von ihm gesprochen. Eine solche Beerdigung hatte ich noch nie erlebt. Warum traute sich niemand von ihm zu sprechen? Auf einmal war alles ein Tabu. Nicht nur, wie mein Vater gestorben ist, sondern auch mein Vater selbst.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0